Meine Frau und ich hatten uns ein paar Tage in Berlin gegönnt, für den zweiten Tag stand ein Photowalk auf dem Programm. Dafür hatte ich vorab ein paar Ziele ausgesucht, Inspirationen teils von Instagram und solche, die schon länger auf der Bucket List standen. Als Fixpunkt am Nachmittag war des Besuch des Humboldt Forums neuerrichteten und -eröffneten Berliner Schloss mit samt seiner viel diskutierten ethnologischen Sammlung gebucht.
Geplant waren für diesen fotografischen Rundgang folgende Stationen: Gleisdreieck, Mehringplatz, Platz der Luftbrücke, Tempelhofer Feld, Siedlung Neu-Tempelhof, Ullsteinhaus und dann zum Schloss. Spoiler: Das Ullsteinhaus haben wir leider nicht geschafft.
1. Station: Gleisdreieck
Los ging es zu Fuß zum U-Bahnhof Nollendorfplatz, zwei Stationen nach Osten zum U-Bahnhof Gleisdreieck und wieder raus auf die Straße. Nach ein paar Schritten wurde mir klar, dass ich anderes erwartet hatte. Ich hatte die Hallen des ehemaligen Postbahnhofs Luckenwalder Straße in Erinnerung und die völlig schräge Idee, dass die zugänglich sein könnten. Aber was soll’s. Leider war auch das Kühlhaus Berlin immer noch oder schon wieder eingerüstet. Dessen Fassade ist sonst auch ein tolles Motiv. Trotzdem lohnte sich der Spaziergang, insbesondere auch ein Gang durch den Park am Gleisdreieck.
2. Station: Mehringplatz
Auch hier: ich sollte mich vielleicht vorher noch gründlicher vorbereiten. Der Satz „Der Platz gilt als sozialer Brennpunkt und wird seit 2019 umgestaltet.“ im zugehörigen Wikipedia-Artikel hätte mich wenigstens hellhörig machen müssen. Dass solche Sanierungen zwei Jahre und mehr dauern, ist ja nicht ungewöhnlich. Aber auch so war der Eindruck interessant: Ein Stadtteilcafé mit klarer Botschaft („Der NSU war nicht zu dritt“), Ladenlokale, die als Labs für Start-Ups genutzte werden, aber eben auch leerstehende Wohnungen und Ladenlokale. Das alles nur 1,5km entfernt vom Checkpoint Charlie, am südlichen Ende der Friedrichstraße.
3. Station: Flughafen Tempelhof, Tempelhofer Feld
West-Berlin musste während der Berlin-Blockade per Flugzeug versorgt werden. Selbst für mich, der noch die deutsche Teilung erlebt hat, sich an Transit und Tränenpalast erinnert, ist das schier unvorstellbar. An diese Luftbrücke erinnert das Denkmal am ehemaligen Flughafen Tempelhof. Ich war nun zum ersten Mal überhaupt auf diesem Gelände. Vom Empfangsgebäude des von 1936 bis 1941 in NS-geprägter Architektur des „Zentralflughafens“ sind wir entlang der Hangars gegangen, um am nördlichen Ende des Komplexes auf das (ehemalige) Flugfeld zu gelangen. Es eröffnen sich schier unglaubliche Eindrücke: Auf einer bald 400ha großen Fläche, mitten in der Stadt spazieren zu gehen; auf die Flugfeld-Seite des Empfangsgebäude und der Hangars zu schauen, die insgesamt 1,2km lang sind; am Ende der knapp 2km langen Start- und Landebahn stehen.
4. Station: Neu-Tempelhof
Vom südlichen Zugang zum Tempelhofer Feld ist es nur einmal über die Straße und man befindet sich in der Gartensiedlung Neu-Tempelhof. Durch Tore gelangt man in eine Idylle aus Siedlungshäusern mit Gärten, kleinen Park- und Promenadenanlagen. Als der Flughafen noch in Betrieb war, war es hier sicher nicht so ruhig. Aber heute? Eine echte Oase!
Hier haben wir meinen Photowalk aus zwei Gründen abgebrochen und sind in die Innenstadt zurückgefahren: (1) hatten wir ein Einlassticket für die Ethnologische Sammlung im Schloss und (2) hatten wir inzwischen einfach „platte Füße“.
Berliner Schloss und Fazit
Das Berliner Schloss. Das Humboldt Forum im Berliner Schloss. Wir kannten von unseren letzten Berlin-Besuchen den Würfel des Humboldt Forums vor der Baustelle mit samt seinem Café auf dem Dach. Nun waren wir gespannt, wie das neu errichtete Berliner Schloss wirkt. Wir hatten ja schon einiges an Diskussionen darüber mitbekommen. Überzeugt hat mich der Bau nicht. Ich frage mich, ob nicht ein „echt“ moderner Bau an dieser Stelle passender, ehrlicher, zukunftsweisender gewesen wäre. Vielleicht gerade als Kontrast zu noch bestehenden historischen und bereits errichteten historisierenden Gebäuden. Denn „alt“ ist ja auch hier nur die Fassade. Innen ist es ein hochmodernes Gebäude. Dass die ethnologische Ausstellung mit Stand Ende Oktober 2021 eine einzige Katastrophe ist, wäre einen eigenen Beitrag wert.
Der Weg durchs Brandenburger Tor ist für mich jedes Mal ein sehr emotionaler Moment. Auch dieses Mal hatte ich wieder einen Kloß im Hals. Der Blick nach Westen zur Siegessäule auf dem Großen Stern tut dann sein übriges.
Der Ansatz, per Serendipität Fotoziele zu finden, hat sich mal wieder bewährt. Ich habe tolle Stellen gefunden. Ausbaufähig ist dabei aber noch meine eigene Vorbereitung.
Den Tag haben wir dann bei Sissi ausklingen lassen: österreichische Spezialitäten in nettem Ambiente lecker und gut serviert.